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Europawahl am 9. Juni 2024

Über Putin und Trump – „Ich habe nicht zu einem der beiden mehr oder weniger Vertrauen“ – goodnews4-Interview von Christian Frietsch mit Daniel Caspary im Europäischen Parlament – Teil 3

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goodnews4-VIDEO-Interview von Christian Frietsch mit Daniel Caspary

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
24.04.2024, 00:00 Uhr



Baden-Baden Ganz im Vordergrund steht auch im politischen Baden-Baden die Kommunalwahl am 9. Juni. Am gleichen Sonntag wird aber auch die neue Zusammensetzung des EU-Parlaments gewählt.

Baden-Baden gehört zum Wahlkreis von Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Zum goodnews4-VIDEO-Gespräch traf Christian Frietsch den Europapolitiker in Strasbourg. Zu den Themen im 1. Teil des Gesprächs gehört der Blick auf die komplexe Struktur der europäischen Institutionen und die besonderen Herausforderungen der letzten Jahre durch Finanzkrise, Migrationskrise, Corona und Krieg in der Ukraine. Im 2. Teil ist die Europäische Verteidigungsgemeinschaft Thema und der Krieg in der Ukraine. Im 3. Teil sprechen Christian Frietsch und Daniel Caspary über den russischen Präsidenten Wladimir Putin und im 4. Teil über die Weltordnung und die Rolle der EU neben den USA, China und Russland.

 


Abschrift Teil 3 des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Daniel Caspary, Europaabgeordneter, CDU:

goodnews4: Jetzt möchte ich das Stichwort Wladimir Putin aufrufen. Wladimir Putin ist, denke ich, wenn man eine Statistik macht, der meistgenannte Name in den Medien, wenn es um Politik geht im Moment. Die Frage ist, ob das vielleicht eine Schräglage ist, dass man eigentlich zu wenig von den Russen redet, zu wenig auch von Nawalny redet im Verhältnis dazu, kann man mal die Frage stellen. Aber ich möchte noch kurz in die jüngere Historie gehen. In Schulzeiten haben wir mitgekriegt, dass es so etwas wie KSZE gab. Und wir wissen, dass es einen großen Erfolg dieser vertrauensbildenden Maßnahmen gab, denn dies hielt ja 50 Jahre lang. Diese KSZE-Idee, dass man zuerst mal Vertrauen schafft und dann kann man ja auch zusammen Geschäfte machen oder Kultur, was Sie sagen, und Wirtschaft und so weiter. Wo stehen wir denn jetzt? Stehen wir in Sachen Vertrauen am Nullpunkt?

Daniel Caspary: Wir stehen am kompletten Nullpunkt, wenn nicht noch tiefer, Herr Frietsch. Denn was wir jetzt in Russland erlebt haben, ist, wir haben Angebote gemacht im Bereich wirtschaftlicher Kooperationen, Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Wir hatten in Deutschland die Diskussion darüber, war es ein Fehler, mit Russland die starke, gegenseitige Kooperation im Energiebereich, im Rohstoffbereich einzugehen. Wir wollten mit Russland doch friedlich zusammenleben. Und man sieht es doch auch daran, was uns jetzt leider auf die Füße fällt, dass wir auch im Bereich Verteidigung, Militär massiv runtergefahren haben, um auch Richtung Russland zu signalisieren: Wir wollen doch gar nichts Böses, wir wollen friedlich miteinander leben. Aber was wir jetzt erleben, ist doch, Russland hat Verträge abgeschlossen zum Beispiel mit der Ukraine, als die Sowjetunion zerfallen ist und es darum ging, was passiert mit den sowjetischen Atomwaffen, die ja mehrheitlich in der Ukraine stationiert waren. Da ging es darum, die Ukraine hat gesagt, sie würde sie an Russland als Nachfolger der Sowjetunion abgeben. Im Gegenzug hat Russland der Ukraine Garantien gegeben, dass die Ukraine in ihren Grenzen geschützt ist. Russland ist nach diesen Verträgen eine Garantie- und Schutzmacht für die Ukraine.

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„Wir sprechen hier von Putins Freunden, die ja auch von Putin unterstützt werden“ – goodnews4-Interview von Christian Frietsch mit Daniel Caspary im Europäischen Parlament – 1. Teil

goodnews4: Das stimmt, aber wenn man mal die andere Seite versucht zu sehen, wenn man sich auseinandersetzt, gibt es diese berühmte Kriegslogik, es gibt ja auch die Ungerechtigkeitslogik, wenn man ins Unrecht gesetzt wurde, will man nicht zurückstecken. Diese beiden Logiken ringen. Wir sehen uns ins Unrecht gesetzt und das auch zu Recht, nur die Unrechtslogik, dass man dann immer weiter macht. Aber ich will mal etwas anderes ansprechen in diesem Zusammenhang. Wladimir Putin war im Bundestag, hat dort eine große Rede gehalten. Man ging zu dem Zeitpunkt davon aus, dass man zusammenarbeiten kann mit der russischen Föderation, mit Putin. Und dann gibt es bis heute eine These, die sagt, naja, die Amerikaner haben das nicht gewollt. Die Amerikaner hatten die Sorgen, dass die Westeuropäer zu nahe an das rohstoffreiche Russland rücken. Und die Amerikaner sind an allem schuld. Wir waren ja gut aufgehoben in der transatlantischen Gemeinschaft in den ganzen Jahrzehnten, aber dennoch, diese These hält sich ja wacker. Und man muss ihr auch mal etwas entgegensetzen, wenn man anderer Meinung ist. Wäre es nicht sinnvoll, darüber zu diskutieren, ob das nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt verpasst wurde, um diese Nahtstelle besser auszukitten? Und noch ein Hinweis zu dieser These. Man ist gewissermaßen Putin zu sehr auf den Pelz gerückt, also die NATO und das westliche Militär waren zu nah in seinen Hegemonialbereich reingerückt. Und das hat das provoziert, was es nicht rechtfertigt, aber es hat ihn provoziert. Das ist eine These, die schon breiten Raum einnimmt.

Daniel Caspary: Ja, aber genau deshalb bin ich dankbar, wenn wir darüber sprechen. Und das ist ja vielschichtig. Das eine ist, nehmen wir mal an, dass Putin, das, was er damals im Bundestag gesagt hat, ernst gemeint hat, ganz zu Beginn seiner Präsidentschaft. Dann stellen wir fest, je mehr er versagt hat, Russland umzubauen, nämlich statt, dass er die Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf, aus dem Gasverkauf Richtung Europa genutzt hat für den Aufbau der Industrie, der Infrastruktur, der Forschung, der Entwicklung, der Modernisierung Russlands, ist das Geld versickert in Oligarchen, bei Energiepreissubventionierungen in Russland. Er hat es nicht geschafft, sein Land zu reformieren. Und jetzt kann man schon darüber streiten: Haben wir ihm damals genug geholfen? Ich glaube das ist müßig, denn wir waren damals in Deutschland mit der deutschen Wiedervereinigung sehr beschäftigt. Wir waren in Europa mit der europäischen Wiedervereinigung beschäftigt, mit der Integration der zehn zentral- und osteuropäischen Staaten in die Europäische Union. Wir hatten damals selbst auch riesen Herausforderungen, aber nichts rechtfertigt, wie Putin dann abgebogen ist und diese Geschichtserzählung, wir sind ihm auf die Pelle gerückt. Also unser Menschenbild ist, jedes Volk ist frei, sich zu entscheiden, mit wem es zusammenarbeiten möchte. Und da gilt selbstverständlich: Wenn ein Land wie Estland, Lettland, Litauen in die Europäische Union möchte, in die NATO möchte, dann steht es ihnen frei. Und auch wenn ein Land wie die Ukraine in die Europäische Union möchte oder in die NATO möchte, dann steht es ihnen frei. Gerade bei dem wichtigsten Thema von Krieg und Frieden, war doch immer die Botschaft auch an Putin: Wir wollen Vertrauen aufbauen, Du sollst mit eigenen Augen sehen, dass die NATO kein Angriffsbündnis ist, sondern ein reines Verteidigungsbündnis. Deshalb waren ja auch russische Militärs in die NATO Planungsstäbe eingeladen.

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„Natürlich gehört Russland zur europäischen Idee“ – goodnews4-Interview von Christian Frietsch mit Daniel Caspary im Europäischen Parlament – 2. Teil

goodnews4: Hat man das intensiv und ehrlich betrieben?

Daniel Caspary: Ja, es wurde intensiv und ehrlich betrieben, nur die Agenda hat sich geändert. Und ich sehe, der größte Feind von Putin ist die Demokratie. Was er überhaupt nicht gebrauchen kann, ist, dass ein Land wie die Ukraine, das vor einigen Jahren noch ganz ähnlich strukturiert war wie Russland, wenn sich dieses Land jetzt erfolgreich in Richtung Demokratie, in Richtung Rechtsstaatlichkeit, in Richtung Freiheit entwickelt, dass der Wohlstand wächst, das wäre das Allerschlimmste, was ihm passieren kann, dass ein Land, das auf dem gleichen Niveau gestartet ist wie Russland, dass das sich plötzlich toll entwickelt und dann fragen die Menschen hier auch, ja, Putin, und was ist mit uns? Und das ist die größte Gefahr.

goodnews4: Die Sympathien für die Ukraine sind in Deutschland gewaltig, im ganzen westlichen Europa, das steht außer Frage. Es mischt sich aber in die Betrachtung, die Sie gerade darstellen, immer wieder auch die Frage: In Mexiko würden sich Amerikaner ja nie gefallen lassen? Man verweist auf Kuba. Wir vertreten die Werte und Ideale des Humanismus, der Demokratie, die wir dann auch den anderen Ländern, wie der Ukraine oder den baltischen Ländern, natürlich zu billigen. Aber auf der anderen Seite gibt es die pure und reine Machtpolitik. Und die Frage ist also, würden die Amerikaner es sich gefallen lassen, wenn die NATO oder westliches Militär Waffen in Mexiko verteilen würden?

Daniel Caspary: Aber genau das ist doch ein wunderbares Beispiel. Wenn Sie Kuba ansprechen, wo es ja damals in der Kuba-Krise um die Frage ging, ob Russland Atomraketen auf Kuba stationiert hat. Das war doch genau der Punkt. Die NATO hat Russland zugesagt, bei der NATO Osterweiterung, dass die Länder, wie Estland, Lettland, Litauen oder auch Polen, in die NATO aufgenommen werden, aber dass wir dort eben auf Dauer keine NATO-Truppen stationieren. Das war die Vereinbarung. Und wir haben uns immer daran gehalten. Und das gleiche gilt für Kuba. Es war damals klar, dass die Sowjetunion oder später Russland eine gewisse Schutzmacht für Kuba ist. Aber es geht eben nicht, dass dort die Waffen des Warschauer Paktes stationiert werden. Und von daher ist das ein wunderbares Beispiel, wo das, was die Vereinigten Staaten für sich bei Kuba eingefordert haben, wir als Europäer und als NATO Putin ja auch in Europa zugestanden haben. Und Sie glauben gar nicht, wie hoch die Nervosität ist in Estland, Lettland, Litauen, wo quasi gar keine eigene Luftwaffe da ist. Denn genau darum ging es. Sie wollten signalisieren: Wir wollen nichts Böses, wir wollen einfach nur, dass wir geschützt sind durch die Mitgliedschaft in der NATO. Und bis Russlands Großangriff galt keine dauerhafte Truppenstationierung der NATO in Polen, in Estland, in Lettland, in Litauen, in Tschechien.

goodnews4: Das gilt ja auch für die Finnen und Schweden, die eine Kurve gemacht haben Richtung NATO.

Daniel Caspary: Ja, weil sie die Bedrohung sehen.

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3. Teil – „Dass die Ukraine als unsere Schwester freundlich, zumindest aber neutral sein sollte“ – Interview von Christian Frietsch mit Georgij Muradov, „Ständiger Vertreter der Krim“ bei Präsident Putin

goodnews4: Ich konnte ein Interview machen mit Georgij Muradov, er ist der ständige Vertreter der Krim beim Präsidenten in Moskau und er sagt, die westlichen Länder haben den Kühlschrank verursacht. Man hat Zusagen gemacht in Sachen NATO, in Sachen westliches Verteidigungsbündnis an den Grenzen zur Ukraine, Respekt und so weiter, die alle eingehalten wurden. Und wir haben jetzt das zweite Stichwort, Daniel Caspary. Das zweite Stichwort ist Donald Trump. Wir haben eine große Balance immer gehabt. Das war der Kalte Krieg, das war eine Balance – eine schreckliche, aber es war eine Balance – und jetzt setzen wir nach wie vor auf das transatlantische Bündnis. Aber wir haben jetzt, und das wissen wir alle, stehen wir auf einem Bein eigentlich, vor den Wahlen in den USA. Wir wissen nicht so genau, wo uns der Kopf steht. Wie wird es weitergehen, wenn Trump gewählt wird? Was sagt Daniel Caspary dann seiner Gruppe im Europäischen Parlament?

Daniel Caspary: Ja, egal, wer in den USA gewählt wird, zunächst einmal sehen wir in den USA eine massive Polarisierung zwischen Rechts und Links. Die politische Mitte, für die in Deutschland beispielsweise wir als Christdemokraten stehen, ist in den Vereinigten Staaten leider komplett weg.

goodnews4: Haben Sie mehr Vertrauen in Trump als in Putin?

Daniel Caspary: Nein, ich habe nicht zu einem der beiden mehr oder weniger Vertrauen, aber wo ich klar mehr Vertrauen habe, ist das Umfeld von Trump. Ich gehe fest davon aus, dass da sehr viele sind, die wissen, wie wichtig Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und auch das transatlantische Bündnis ist. Massiv. Es ist eine Demokratie in den Vereinigten Staaten. Aber es muss klar sein, wir müssen in der Lage sein, mehr zu tun bei der Frage: Sind wir in der Lage, uns zu verteidigen? Und es ist auch ein legitimes Anliegen der Vereinigten Staaten zu sagen: Ihr Europäer, wir passen auch auf euch auf, aber ihr müsst auch selbst in der Lage sein, euch zu verteidigen, wenn es darauf ankommt.

Ende 3. Teil des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Daniel Caspary am 14. März 2024 im Europäischen Parlament in Strasbourg.




Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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