Europawahl am 9. Juni 2024

„Natürlich gehört Russland zur europäischen Idee“ – goodnews4-Interview von Christian Frietsch mit Daniel Caspary im Europäischen Parlament – 2. Teil

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goodnews4-VIDEO-Interview von Christian Frietsch mit Daniel Caspary

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
16.04.2024, 00:00 Uhr



Baden-Baden Ganz im Vordergrund steht auch im politischen Baden-Baden die Kommunalwahl am 9. Juni. Am gleichen Sonntag wird aber auch die neue Zusammensetzung des EU-Parlaments gewählt.

Baden-Baden gehört zum Wahlkreis von Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Zum goodnews4-VIDEO-Gespräch traf Christian Frietsch den Europapolitiker in Strasbourg. Zu den Themen im 1. Teil des Gesprächs gehört der Blick auf die komplexe Struktur der europäischen Institutionen und die besonderen Herausforderungen der letzten Jahre durch Finanzkrise, Migrationskrise, Corona und Krieg in der Ukraine. Im 2. Teil ist die Europäische Verteidigungsgemeinschaft Thema und der Krieg in der Ukraine. Im 3. Teil sprechen Christian Frietsch und Daniel Caspary über den russischen Präsidenten Wladimir Putin und im 4. Teil über die Weltordnung und die Rolle der EU neben den USA, China und Russland.

 


Abschrift Teil 2 des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Daniel Caspary, Europaabgeordneter, CDU:

goodnews4: Ich komme zum Stichwort «Europäische Verteidigungsgemeinschaft». Man hat das Gefühl, als würde man direkt andocken an 1952. Denn damals war es schon die Idee, dass die Europäer zusammenstehen und damit auch einen Krieg verhindern. Jetzt plötzlich, mehr als 70 Jahre später, ist man da wieder angelangt, eine europäische Verteidigungsgemeinschaft. Wie steht es damit bei der CDU-CSU-Gruppe im Parlament? Stehen Sie für so eine Idee?

Daniel Caspary: Wir stehen massiv dafür. Übrigens nicht erst seit jetzt oder seit zwei Jahren, sondern seit vielen, vielen Jahren. Wir wollen Europa im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik stärken. Wir wollen Europa im Bereich der Verteidigungspolitik stärken. Nehmen wir zum Beispiel unser Sicherheitsbündnis, die NATO. Fast alle EU-Mitgliedstaaten sind Mitglied in der NATO, aber unsere EU-Mitgliedstaaten in der NATO stehen gerade mal für 20 Prozent der Verteidigungsausgaben der NATO. Da müssen wir mehr tun. Aber jetzt ist die Frage, wir müssen leider mehr Geld ausgeben für Verteidigung, weil wir eben sehen, was Russland anstellt und andere, aber das andere ist, ich möchte auch gern mehr Verteidigung für das Geld. Und es macht doch keinen Sinn, dass wir in Europa drei oder mehr verschiedene Kampfflugzeuge nebeneinanderher entwickeln lassen. Lasst uns doch eins gemeinsam entwickeln. Dass wir in Europa viele, viele unterschiedliche Panzertypen und Artilleriesystemen haben, kostet alles in der Entwicklung, in der Wartung und im Betrieb zusätzliches Geld und wenn wir hier schaffen, Forschung, Entwicklung und gemeinsame Beschaffung in Europa aufzubauen oder dann von dem Geld, das wir ausgeben, haben wir in den letzten Jahren 80 Prozent der Gelder, die wir für Rüstungsbeschaffung ausgegeben haben, außerhalb Europas ausgegeben. Und wenn wir leider in den nächsten Jahren viel mehr tun müssen, auch finanziell für Sicherheit und Verteidigung, dann müssen wir doch auch schaffen, dass wir in Europa eine eigene Produktion haben, dass dieses Geld dann auch bei uns bleibt, dass die Arbeitsplätze bei uns entstehen, damit sich die Wohlstandsverluste möglichst in Grenzen halten. Und deshalb setzen wir auf mehr Verteidigungspolitik in Europa. Wir unterstützen, dass Ursula von der Leyen auch einen Verteidigungskommissar in der nächsten Periode schaffen möchte. Und ausdrücklich, das geht hier nicht gegen die NATO oder gegen die Mitgliedsstaaten, sondern es geht darum, im Verbund der NATO unsere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union besser zu koordinieren, damit wir einfach effizienter und auch handlungsfähiger hier aufgestellt sind.

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goodnews4: Beim Begriff «Europa», wenn man ihn geographisch sieht, kriegt man keine so ganz hundertprozentige Antwort, aber tendenziell sagt man bis zum Ural reicht Europa geographisch. Man hat dann auch die Schwierigkeit, die Idee Europas einzuordnen. Denn wir alle als Westeuropäer sind schon immer, in der transatlantischen Verbindung zu den USA und wir gehören mit den Franzosen zusammen, das war immer klar. Europa ist auch der Geist der Werte, des Humanismus. Wollen wir die Russen da mitnehmen? Wir reden ja alle viel über Wladimir Putin, aber wenig über die Russen, die vielleicht auch eine große Sehnsucht haben, zu Europa zu gehören, auch zu diesem Europa mit der Idee, die wir haben. Seit dem Rauswurf der Russen aus dem großen Kreis der europäischen Nationen, die auch hier mit über 50 Mitgliedern vertreten sind, redet niemand mehr darüber. Aber gehören die Russen eigentlich zur europäischen Idee?

Daniel Caspary: Natürlich gehört Russland zur europäischen Idee. Russland ist das größte Land in Europa. Und deshalb galt doch, wir haben damals die Europäische Union und die Europäische Gemeinschaft dafür gegründet, dass wir in den europäischen Staaten den Krieg, die Feindschaft überwinden, wie zwischen Deutschland und Frankreich, und wir gemeinsam den Frieden und die Freiheit in Europa voranbringen. Und das war, glaube ich, die Hauptaufgabe in den Gründungsjahren der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union. Und leider müssen wir im Moment erleben, dass das, was wir vor hatten nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion, in vielen Staaten Zentraleuropas, nämlich wo wir gedacht haben, wir haben jetzt die Geschichte überwunden, wir haben den West-Ost-Konflikt, den Kalten Krieg überwunden und wir haben jetzt die Möglichkeit, das zu tun, was unser Ziel ist, nämlich eine gemeinsame Zusammenarbeit von Lissabon am Atlantik, Portugal bis Wladiwostok, hinter dem Ural in Russland, dass dieser Traum sich leider nicht erfüllen lässt aufgrund Russlands Vorgehen. Aber klar ist doch, wir wollen mit Russland friedlich zusammenleben. Nur leider funktioniert das mit diesem Russland, mit dem Präsidenten nicht. Was dieser Präsident macht, ist menschenverachtend. Es widerspricht allem, für das wir stehen. Dass er die Ukraine übernehmen möchte, dass er Verträge, die er abgeschlossen hat, nicht akzeptiert, wie die Grenzen in Europa verlaufen, ist inakzeptabel. Und deshalb gilt leider, Putin muss diesen Krieg in der Ukraine verlieren, die Ukraine muss den Krieg gewinnen. Wenn die Ukraine verlieren sollte, wenn die Ukraine dauerhaft Gebiete abgeben muss, auf völkerrechtlich ihnen zustehende Gebiete verzichten muss, dann verlieren wir alle, weil er dann mit seinem Krieg Erfolg hatte. Und deshalb gilt, wir müssen sicherstellen, dass jetzt die Ukraine den Krieg gewinnt. Aber es muss immer klar sein, dass wir Russland an Bord behalten wollen. Wir wollen Kooperationen, Kultur, Wirtschaft, gemeinsam mit Russland gehen. Aber mit diesem Russland, mit diesem Regime, geht es leider nicht.

Ende 2. Teil des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Daniel Caspary am 14. März 2024 im Europäischen Parlament in Strasbourg.




Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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